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Erster Gesetzentwurf zur Umwandlung des Landeswaldes in eine Anstalt des öffentliches Rechts. Gespart werden soll vor allem beim Personal.
Von Ulf B. Christen
Kiel - HA 16.6.07
Schleswig-Holstein will seine Forstverwaltung radikal verschlanken, mehr Bäume fällen und Waldnutzer konsequenter zur Kasse bitten. Das geht aus dem ersten Gesetzentwurf zum Umbau der Landesforsten hervor, den das Kabinett in dieser Woche stillschweigend durchwinkte.
Kern des Referentenentwurfs, der dem Abendblatt vorliegt, ist die Umwandlung des Sondervermögens Landeswald in eine Anstalt öffentlichen Rechts. Sie soll, wie Waldminister Christian von Boetticher (CDU) im April angekündigt hatte, ab 2008 das Millionendefizit im Forstbetrieb abbauen und gewinnorientiert arbeiten.
Sparen will das Land vor allem beim Personal. Die sechs großen Forstämter (Trittau, Rantzau, Segeberg, Eutin, Schleswig, Nordfriesland) sollen aufgelöst werden. Ihre hoheitlichen Aufgaben (Waldaufsicht) übernehmen drei schlanke Untere Forstbehörden (UFB):
UFB SÜD für die Kreise Pinneberg, Stormarn, Herzogtum Lauenburg und die Stadt Lübeck;
UFB MITTE für Steinburg, Segeberg, Ostholstein, Plön, Neumünster, Kiel;
UFB NORD für den Landesteil Schleswig sowie Dithmarschen.
Auf der Streichliste des Landes steht zudem jede vierte Försterei. Derzeit gibt es 41. Elf sollen schließen, damit das Land sein ehrgeiziges Ziel erreichen kann. Von den 266 Forstbeamten, Angestellten und Waldarbeitern soll etwa die Hälfte eingespart werden. Zur Erledigung der künftigen Aufgaben der Anstalt wird ein Personalbestand von 130 bis 150 Stellen baldmöglichst angestrebt, heißt es in der Vorlage.
Zündstoff bergen die Übergangsregelungen. Bei den 70 Forstbeamten und 50 Angestellten soll bis Mitte 2008 entschieden werden, wer rückwirkend zum Jahresbeginn in die Anstalt übernommen wird. Anderen will das Land Ersatzjobs anbieten, etwa als Biologielehrer. Sich umschulen lassen müssen auch viele der 146 Waldarbeiter. Einige schieben schon Wache in Gefängnissen. Offen ist, wann der Personalabbau abgeschlossen sein soll. In der Vorlage wird als spätester Zeitpunkt 2012 genannt. Klar ist, dass Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) aufs Tempo drückt. Er hätte den Landeswald am liebsten verkauft und möchte jetzt möglichst schnell schwarze Zahlen schreiben. Die neue Anstalt soll deshalb alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Einnahmen zu verbessern, etwa durch Steigerung der Holzernte. Insider halten zusätzliche Einschläge für vertretbar, warnen aber vor Massenabholzungen. Ein Kahlschlag der Forste wäre allerdings mit dem Landeswaldgesetz nicht zu vereinbaren.
Die Kasse füllen soll die Anstalt laut Vorlage auch mit Benutzungsentgelten für den Landesforst. Solche Waldgebühren sind schon heute zulässig, werden aber nur vereinzelt erhoben. In einem Fall musste ein Veranstalter für einen Nordic-Walking-Tag im Wald 50 Euro zahlen, in einem anderen eine TV-Firma bis zu 250 Euro für einen Walddreh. Insider gehen davon aus, dass sich die Einnahmen mithilfe einer verbindlichen Preisliste steigern ließen, auch wenn man moderater vorgeht als in Bayern. Die dortige Anstalt hatte reihenweise Bürger und Vereine zur Kasse gebeten und damit einen Proteststurm ausgelöst.
Kaum populärer sind andere Maßnahmen, die das Land der neuen Anstalt ans Herz legt. Sie soll kleine wie unrentable Waldstücke verkaufen und die Entgelte für die Jagd im Landeswald erhöhen. Jäger kommen hier bisher billig zum Schuss.
Vorbild für die Neuorganisation ist Niedersachsen. Dort sank die Zahl der Forstämter seit Anfang der 1990er Jahre von 90 auf 26. Seit Anfang 2005 kümmert sich die Landesanstalt Landesforsten um 340 000 Hektar Staatswald. Die Anstalt hat heute noch 1400 Mitarbeiter. Das sind rund 200 weniger als beim Start. Auch das wichtigste Ziel wurde in Niedersachsen erreicht: Die Anstalt schreibt im Kerngeschäft Holz heute schwarze Zahlen.
In Schleswig-Holstein gibt es 340 Landeswälder mit einer Gesamtfläche von etwa 50 000 Hektar. Zum Vergleich: Das Stadtgebiet von Hamburg ist 75 516 Hektar groß.
Schleswig-Holstein ist das waldärmste deutsche Flächenland mit insgesamt 162 000 Hektar Wald (10,3 Prozent). Mehr als die Hälfte des Forstes ist in Privatbesitz. Der verteilt sich auf gut 6000 Eigner. Der Rest des Waldes entfällt auf den Bund, die Kreise und Kommunen. Der Holzzuwachs in den Wäldern liegt derzeit bei 1,2 Millionen Kubikmetern jährlich. Abgeholzt werden zeitgleich nur 540 000 Kubikmeter. Die Differenz erklärt sich auch aus dem geringen Alter der Wälder. 61 Prozent sind jünger als 60 Jahre.
Der häufigste Waldbaum in Schleswig-Holstein ist die Fichte (20 Prozent), gefolgt von Buche (19), Kiefer und Lärche (17) und der Eiche (15). Viele Bäume sind krank, ein Drittel ist bereits stark geschädigt. In der schleswig-holsteinischen Forst- und Holzwirtschaft arbeiten etwa 7500 Menschen."
Das wurde bisher diskutiert:
Der Landeswald ist seit Generationen mit Steuergeldern gepflanzt und gepflegt worden. Jetzt schießen die Energiepreise nach oben, der Holzpreis mit. Die Landesregierung rechnet selbst mit einer Zunahme von 2,5 Millionen Euro pro Jahr (nach heutigen Preisen!) allein aus Holzverkäufen aus dem Landeswald bis 2010. Diese Erträge aus der Holzernte sollen offenbar nun auch "Privatinvestoren" zu Gute kommen. Warum?
Der Landeswald erfüllt - wie im Landeswaldgesetz festgeschrieben - besonders hohe Ansprüche an eine naturnahe Bewirtschaftung, an den Klima-, Boden- und Grundwasserschutz sowie die Erhaltung der Artenvielfalt. Eine ausschließlich an den Erträgen der Holzwirtschaft orientierte private Bewirtschaftung des Waldes kann das nicht leisten. Trotzdem verkündet Minister von Boetticher jetzt (DLZ vom 11. Oktober), "denkbare Ziele" seien "eine optimale Bewirtschaftung und das Schonen des Haushalts".
Die Erholungsfunktionen für die Menschen werden also reduziert. Im Augenblick unterhält die Landesforstverwaltung über 1700 km Wege im kinderwagengerechten Zustand - also gut ausgebaute Wege für Wanderer, Reiter, Radfahrer und Touristen. Hinzu kommen Bau und Unterhalt für Ruhebänke, Wegweiser, Unterstände usw. Alles das kann bei "optimaler Bewirtschaftung" nicht geleistet werden - der Holztransport mit schweren Maschinen geht vor.
Die Idee des Ministers von Boetticher, das Personal für den Landeswald solle bei "Minderheitsbeteiligung von Privatinvestoren" auf das "betrieblich notwendige Maß" schrumpfen, ist Wunschdenken. Die zur Zeit etwa 270 in der Landesforstverwaltung Beschäftigten sind entweder Beamte oder Angestellte des Landes. Sie können nicht "mitverkauft" werden. Die Angebote der Landesregierung an einzelne Bedienstete, sie könnten ja künftig in den Gefängnissen des Landes arbeiten, sagen alles über den Umgang mit Menschen in einer CDU/SPD-Koalition...
Meldungen, wonach der Verkauf bereits abgewendet sei, stimmen also nicht. Die Beschlusslage der Landesregierung dazu hat sich nicht verändert. Minister von Boetticher hat bisher lediglich erklärt, er werde dem Kabinett jetzt den Vorschlag machen, vom Gesamtverkauf abzusehen und "wie es weiter geht, sei noch zu klären" (DLZ vom 11. Oktober 2006).